Rechtliches







MRSA - Haftung von Ärzten und Kliniken für Infektionen mit Krankenhausbakterien?

Wir befassen uns seit geraumer Zeit mit den rechtlichen Aspekten der Infektionen von Patienten mit sogenannten Krankenhausbakterien. MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus) sind Krankheitserreger, die nach unserer Auffassung auf Grund nicht hinreichender und insbesonderer auch nicht einheitlicher Hygienestandards in einigen deutschen Kliniken zu einem ernsthaften Problem geworden sind.

Zum Volltext des Informationsangebots

www.mrsa-anwalt.de

Zitat:

Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) und der Bundesverband der Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) haben im Oktober 2010 einen Fragebogen zum Umgang mit MRSA Patienten an die deutschen Krankenhäuser zu Händen der Hygienefachkräfte versandt:

Das Robert Koch Institut berichtet in seinem epidemiologischen Bulletin Nr.15 über die Ergebnisse dieser Umfrage zum Umgang mit MRSA Patienten in deutschen Kliniken.

Unsere Kanzlei hatte vor nahezu 10 Jahren eine ähnlich gelagerte "Fragebogen Aktion" gestartet und mehreren hundert Kliniken ein Anschreiben mit der höflichen Bitte um Beantwortung verschiedener Fragen zur Hygienestruktur der Klinik und dem Organisationsgrad des Hauses auf dem Gebiet der Infektionsprävention vorgelegt. Die Auskunftsbereitschaft der von uns als Rechtsanwälten für die Rechte infektionsgeschädigter Patienten angeschriebenen Kliniken war sehr gering, weniger als 5% der angeschriebenen Häuser haben geantwortet.

Die Gründe für diese geringe Beteiligung einer Anwaltskanzlei für Patientenrechte gegenüber liegen auf der Hand. Eine juristische Verpflichtung zur Beantwortung der Fragebögen uns gegenüber bestand nicht. Wir haben uns damals allerdings die Frage gestellt, warum nur sehr wenige Kliniken bereit sind, substantielle Auskünfte über den Grad ihrer Organisation bezogen auf die tatsächliche Umsetzung der Empfehlungen des Robert Koch Institutes Kommission für Krankenhaushygiene zu geben. Keine Antwort ist auch eine Antwort. Die formulierten Antworten reichten von grundsätzlicher, krasser Ablehnung "Was geht Sie die Hygiene unserer Klinik an?" bis zu mehrseitigen und mit verschiedenen Materialien belegten, umfassenden Stellungnahmen der Hygieniker einzelner Häuser, diese wenigen, positiven Antworten stimmten uns froh.

Von den an die rund 2.100 deutschen Krankenhäuser versandten Fragebögen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene und des Bundesverbandes der Ärzte des öffentlichen Gesundheitswesens haben nach den Inhalten des Berichtes des Robert Koch Institutes knapp 900 Kliniken bis Ende November 2010 geantwortet.

Eine Antwort der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene gegenüber scheint einigen Kliniken leichter zu fallen, als die Offenlegung der hygienischen Struktur einer Kanzlei für Patientenrechte gegenüber.

Nach Mitteilung des Robert Koch Institutes gaben im Rahmen der Antworten 84,5 % der Krankenhäuser an, dass MRSA positive Patienten immer in Einzelzimmern untergebracht werden.

Eine Kohortenisolierung ist generell zulässig, wir sehen sie kritisch. Nicht überprüfbar ist, ob die Angaben der Kliniken der tatsächlichen Situation entsprechen.

Aus unserer Sicht viel entscheidender als die Frage der Isolierung eines Patienten nach Feststellung der MRSA Besiedelung oder MRSA Infektion ist die Frage des Zeitpunktes der Feststellung des MRSA.

Das Robert Koch Institut teilt mit, laut der Umfrage hätten 2,1 % der Krankenhäuser geantwortet, "selten bis nie Patienten mit MRSA" zu isolieren. 5,6 % der Klinken sollen diese Frage überhaupt nicht beantwortet haben.

Die Schlussfolgerung wäre dann, dass unter Umständen bis zu 8 % der Krankenhäuser, die nicht überprüfte Quote von 84,5 % an genereller Isolierung als wahr unterstellt, MRSA Patienten überhaupt nicht isolieren.

Hochgerechnet auf die Anzahl der Krankenhäuser wäre dies eine Zahl von rund 200 Kliniken, in denen keine Isolierung von MRSA-Patienten stattfindet. Eine erstaunliche Zahl, wie wir meinen.

Nach den Inhalten des epidemiologischen Bulletins Nr.15 des Robert Koch Institutes wurde in den Fragebögen mitgeteilt, dass in mehr als 90 % der Häuser Schutzkittel getragen werden. Allerdings müssen Besucher in ca. 15% der teilnehmenden Krankenhäuser keinen Schutzkittel tragen. Handschuhe werden nach den Inhalten der Fragebögen, die tatsächliche Handhabung und Wahrhaftigkeit der Angabe wurden nicht überprüft, in über 90% der Häuser getragen, jedoch in über 30% nicht von Besuchern. Die Frage nach einer Kopfhaube wurde von 50% der Teilnehmer gar nicht beantwortet, man wundert sich.

Nach den Inhalten der Antworten der Kliniken werden patientennahe Flächen in Zimmern von MRSA positiven Patienten angeblich fast ausnahmslos täglich desinfiziert. Bei der Frage nach einem Eingangsscreening bei sogenannten Risikopatienten nach der Krinko/RKI Indikation gaben nach Mitteilung des RKI 38% der Krankenhäuser an, dass sie bei allen Patienten nach Krinko ein Screening durchführen. In etwa 10% der Krankenhäuser wird nach den Inhalten der Umfrage nie ein Screening durchgeführt.

Gleichzeitig wurde die konkrete Frage, ob bei allen Patienten ein Screening durchgeführt wurde, die in den letzten 12 Monaten stationär im Krankenhaus waren, nur von 5% der Häuser bejaht.

An diesen Zahlen zeigen sich Widersprüche und wir wundern uns, warum im epidemiologischen Bulletin Nr. 15 sich an erster Stelle als "wesentliche Folgerung" die Einschätzung nachlesen lässt, in vielen, deutschen Krankenhäusern setze man "die Empfehlungen der Krinko weitgehend korrekt" um.

Wenn 38% der Kliniken angeben, dass bei allen RKI Indikatoren, wozu der Aufenthalt in einer Klinik in den letzten 12 Monaten gehört, ein MRSA Eingangsscreening durchgeführt wird und gleichzeitig nur 5% der Häuser angeben, bei Patienten, die in den letzten 12 Monaten stationär im Krankenhaus waren, werde ein Screening durchgeführt, kann etwas nicht stimmen.

Die Angabe zu der Frage nach dem Eingangsscreening muss nicht nur "kritisch hinterfragt" werden, sie belegt aus unserer Sicht unsere bereits vor Jahren gewonnene Einschätzung, wonach allgemeine Fragen zur Hygienestruktur wenig bringen. Eine Verbesserung der Hygienestruktur ist aus unserer Sicht nur durch objektive, unangekündigte Kontrollen durch hygienische Fachleute mit Sanktionsmöglichkeiten zu erreichen. Wer gibt gerne eigene Fehler zu?

Zutreffend wird im epidemiologischen Bulletin Nr.15 des RKI festgestellt, dass die Antworten der Kliniken oft lediglich die "idealtypische" Situation wiedergeben, also das, was im Hygieneplan steht und ein korrektes Abbild der Wirklichkeit nur durch geeignete Auditierung gewonnen werden kann.

Diese Einschätzung deckt sich mit unseren Erfahrungen im Rahmen der Prozessgeschehen gegen Kliniken in Schadensersatzverfahren wegen nosokomialer Infektionen in den letzten 15 Jahren. Der Vortrag der Kliniken fällt in diesen Verfahren nicht selten sehr allgemein aus, Sätze wie "Wir setzen die RKI Richtlinien Eins zu Eins um" lassen sich regelmäßig lesen. Den Erwiderungen der Kliniken beigefügt werden häufig umfangreiche "Anlagenkonvolute an Papier".

Erfreulich ist, dass auch die deutschen Gerichte inzwischen immer mehr erkennen, dass es auf dem Gebiet der Hygiene sehr konkrete Vorschriften und dezidierte Richtlinien gibt, die den medizinischen Standard in Deutschland wiedergeben und die einzuhalten sind.

Kliniken mit unzureichendem Organisationsgrad auf dem Gebiet der Infektionsvermeidung werden in Schadensersatzverfahren weiter große Probleme haben.

Dr. iur. B. Kirchhoff
Patientenanwalt

Quelle: www.mrsa-anwalt.de