Dienstag, 28. Juli 2015

Urteil: Gelenkinfektion nach Operation – Wann steht dem Patienten Schadensersatz zu?

Presseschau - Für Sie gelesen


Gelenkinfektion nach Operation – Wann steht dem Patienten Schadensersatz zu?


team_irem_scholzNicht selten kommt es nach Eingriffen am Knie oder der Hüfte zu Infektionen mit zum Teil verheerenden Folgen für die Patienten. Nicht nur Schmerzen, sondern auch Revisions-Operationen stehen dann auf der Tagesordnung.
Wenn Schmerzen und Beschwerden bleiben und auch weitere Operationen keine Linderung oder Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bewirken, fragen sich Patienten zu Recht, ob die Infektion vermeidbar war und damit die Tortur, der sie sich im weiteren Verlauf unterziehen mussten.
Irem Scholz Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht
Während sich viele Patienten mit der Frage aufhalten, ob der Arzt schuld daran sei, dass es überhaupt zu der Infektion kommen konnte, sind Anwälte darauf spezialisiert, weiter zu fragen. Im Blickfeld steht dann nicht so sehr die Frage, wie es überhaupt zu der Infektion kommen konnte, sondern ob die Infektion rechtzeitig erkannt und vor allem gemäß dem zum Zeitpunkt der Behandlung geltenden Facharztstandard behandelt wurde.
Am Landgericht Heilbronn wurde 2003 ein Fall verhandelt, bei dem sich die Klägerin wegen der Verletzung ihres Knies aufgrund eines Ski-Unfalls bei dem späteren Beklagten vorstellte. Ein Operationstermin zur Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes wurde schnell gefunden. Die Operation verlief nicht ohne Komplikationen, der Operateur versuchte jedoch, die Schwierigkeiten zu beheben. Bereits kurze Zeit nach dem Eingriff klagte die Patientin über ein Taubheitsgefühl am rechten Unterschenkel, eine Schwellung sowie eine gereizte Wunde am Knie. Starke Schmerzen folgten. Die Schwellung schritt voran. Weitere Kontrolluntersuchungen wurden angesetzt, unter anderem auch eine Punktion des Kniegelenkes, bei der sich Flüssigkeit entnehmen ließ. Ein Vermerk über das Aussehen dieser Flüssigkeit oder ein Abstrich zur Prüfung, ob sich Bakterien in der Wunde befinden, fehlten in der Behandlungsdokumentation. Bei einer Kontrolluntersuchung stellte der Arzt dann erhebliche Schwellungen und Schmerzen an der äußeren Seite des linken Oberschenkels mit Überwärmung fest. Kurz darauf öffnete sich die Operationswunde oberhalb des Knies, es traten Eiter, Blut und Wundflüssigkeit aus. Der Beklagte versuchte dann mit verschiedenen Eingriffen die Infektion zu stoppen.
Der Gerichtssachverständige stellte für den Zeitraum nach der Operation gleich mehrere, vom Landgericht als grob bewertete Behandlungsfehler fest, mit der Folge der Beweislastumkehr zu Gunsten der Klägerin, soweit es um den Zusammenhang zwischen den Behandlungsfehlern und dem eingetretenen primären Gesundheitsschaden ging. Im Rahmen seiner Überprüfung wies der Sachverständige darauf hin, dass bereits eine besondere Vorsicht des Operateurs angezeigt gewesen wäre, als sich bei der Operation Komplikationen ereigneten. Schon hier war die Gefahr einer Infektausbreitung gegeben. Er attestierte dem behandelnden Arzt, unter anderem auf eindeutige Ergebnisse nicht richtig reagiert zu haben und darüber hinaus auch bei einer der weiteren Operationen zur Behebung der Infektion chirurgisch fehlerhaft vorgegangen zu sein. Im Ergebnis wurde der Klage stattgegeben, weil der beklagte Arzt es insbesondere versäumt hatte, Befunde zum Ausschluss des Vorliegens einer behandlungsbedürftigen postoperativen Wundinfektion zu erheben. Er unterließ somit Untersuchungen, die die Infektion früher hätten feststellen können und eine frühzeitige Behandlung ermöglicht hätten. Der Beklagte konnte den Gegenbeweis nicht führen.
Wie dieses Beispiel anschaulich demonstriert, hat der den Patienten vertretende Rechtsanwalt darauf zu achten, dass sich das Gericht und der Gerichtssachverständige nicht so sehr auf die Frage konzentrieren, wie es zu der Infektion kam. Er muss im Rahmen des Klageverfahrens vielmehr darauf achten, dass das Gericht die Frage klärt, ob auf Infektionszeichen zeit- und fachgerecht reagiert wurde.
Irem Scholz, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht

Dienstag, 21. Juli 2015

Acinetobacter baumannii

Acinetobacter baumannii ist neu unter den Krankenhauskeimen, vor zehn Jahren wurde er erstmals in Feldlazaretten im Irak und Iran beobachtet. Nun kommt der hartnäckige Keim in Europa an. Monatelang kann er an Türklinken, medizinischen Geräten oder Nachttischen überleben.

 Video NDR dazu: www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Gefaehrliche-Keime-Acinetobacter-baumannii,multiresistentekeime104.html

 Video ARD dazu: www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/mittagsmagazin/sendung/keime-kiel-forschung-100.html




Reinhard Göddemeyer

Samstag, 18. Juli 2015

Presseschau - Für Sie gelesen:

Tod durch Krankenhauskeim

Ärzte müssen über das Infektionsrisiko durch Krankenhauskeime nicht extra aufklären

Explizite Aufklärungspflicht nur bei Operation mit Infektionsrisiko
Entscheidungsbesprechung von Rechtsanwalt Dirk Möller(Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 12.06.2012, Az. 1 U 119/11)
Es war eine tragische Geschichte: Ein 77-jähriger Mann, Diabetiker mit offenen Wunden, kam ins Krankenhaus zur Behandlung. Sicher hoffte er auf Besserung seines Zustandes – doch es kam anders.
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Der Mann infizierte sich mit dem so nannten Krankenhauskeim(multiresistenter Staphylococcus aureus = MRSA). Diese Infektion ging für ihn tödlich aus: Er bekam eine Blutvergiftung (Sepsis) und starb an multiplem Organversagen. Die Ehefrauhakte nach: „War das Krankenhaus zu unhygienisch? Wir wurden nicht über das Risiko des Krankenhauskeims aufgeklärt – ist das nicht eine Pflichtverletzung des Arztes?“
Die entscheidende Frage: Wer ist schuld an der Infektion?
Über diesen für viele Menschen relevanten Fall entschieden jüngst die Richter des Oberlandesgerichtes Naumburg mit Urteil vom 12.06.2012 – 1 U 119/11. Es wurde ein „einerseits – andererseits“ Urteil. Einerseits sind gemäß der Einschätzung der Richter die Krankenhäuser zu einer grundsätzlichen Hygieneeinhaltung verpflichtet. Verstößt eine Einrichtung dagegen, entsteht möglicherweise ein Haftungsfall. Allerdings nur, wenn es mehr Beweise für einen Verstoß gibt als eine Infektion bei einem Patienten. Andererseits sei es nicht möglich, dass der behandelnde Arzt eine Infektion mit Keimen völlig ausschließe; vor allem bei Patienten mit entsprechend sensiblem Gesundheitszustand bzw. einer Vorerkrankung. Weder Krankenhaus noch Arzt mussten also im vorliegenden Fall eine Verantwortung für die tödliche Infektion übernehmen.
Explizite Aufklärung nur bei Operation mit Infektionsrisiko
Auch der Frage der Ehefrau nach dem Vorwurf der Verletzung der Aufklärungspflicht des Arztes nahm das OLG sich an: Es bestehe immer und überall ein generelles Risiko, dass ein Patient sich mit Keimen infiziert. Außerdem sei es weit verbreitet, dass man sich gerade bei einem Klinikaufenthalt mit einem Krankheitserreger infizieren könne. Über diese generelle Infektionsgefahr muss nicht aufgeklärt werden; steht jedoch eine Operation an, die ein besonderes Infektionsrisiko birgt, muss der Arzt den Patienten gesondert darauf hinweisen.
Keine Beruhigung für Krankenhäuser wegen ausbleibender Entschädigungsforderungen
Somit besteht für Patienten immer noch die Möglichkeit, bei einer unzureichenden Aufklärung Schadensersatz zu verlangen. Dies wird besonders bei besonders gefährlichen Operationen relevant. Denn klärt ein Arzt bei einer solchen Operation nicht genügend über Infektionsrisiken auf, kann ein er dennoch zur Verantwortung gezogen werden. Wendet man sich an einen Rechtsanwalt, der das besondere Infektionsrisiko im konkreten Fall herausarbeiten kann, so bestehen Chancen für Patienten.